Das Thalia Theater wird internationaler

Intendant Joachim Lux und Chefdramaturgin Julia Lochte stellen den Spielplan für die Saison 2019/2020 vor.

 

von Heinrich Oehmsen

 

„Unsere Haltung ist Aufbruch.“ Joachim Lux, Intendant des Thalia Theaters, ergänzte diesen Satz bei der Vorstellung des Programms für die Spielzeit 2019/2020 mit einigen Adjektiven, für die das Haus am Alstertor steht: „frei, international, multiperspektivisch“. In der Vergangenheit hat das Thalia Theater immer wieder gemeinsam mit Festivals wie den Salzburger Festspielen Inszenierungen gemeinsam produziert – in diesem Jahr ist es Liliom unter der Regie von Kornél Mundruczó –, doch das Thalia geht noch einen Schritt weiter und stemmt in der nächsten Saison zwei internationale Koproduktionen. Antú Romero Nunes wird am 12. Oktober mit Neverland ein Projekt nach Motiven aus J.M. Barries Peter Pan umsetzen. Im Thalia in der Gaußstraße erzählen die Regisseure David Ndjavera und Gernot Grünewald in Hereroland eine deutsch-namibische Geschichte, in der es um postkoloniale Aufarbeitung geht.

Thalia Theater
Saigon
Foto: Jean-Louis Fernandez

Auch zwei spektakuläre Gastspiele stehen auf dem Spielplan. 20 Jahre nach seiner letzten Arbeit in Hamburg kehrt Robert Wilson am 27. und 28. September mit Mary Said What She Said, einer Bearbeitung des Maria Stuart-Stoffes mit Isabelle Huppert in der Titelrolle zurück. Einen Monat später kommt die gefeierte französisch-vietnamesische Regisseurin Caroline Guiela Nguyen mit Saigon nach Hamburg. Thematisch geht es um die französische Kolonialgeschichte, Schauplatz ist ein vietnamesisches Restaurant. „Saigon war für mich einer der stärksten Abende, die ich in letzter Zeit gesehen habe“, lobte Julia Lochte, Chefdramaturgin am Thalia Theater das Stück mit seinem Bühnenbild in Cinemascope. Für beide Gastspiele hat der Vorverkauf begonnen.

 
 
 
Thalia Theater
Mary Said What She Said
Foto: Peter Lindbergh

 

Neun Premieren im Großen Haus und sieben in der Gaußstraße sind für die kommende Spielzeit geplant. Neben Neverland wird Hausregisseur Nunes sich mit Friedrich Schiller beschäftigen. Ode an die Freiheit nennt er das revolutionäre Trauerspiel um einen Mann namens Doktor Ritter, der sich in einem Bauerndorf einquartiert. Dahinter verbirgt sich der deutsche Dramatiker, der damals auf der Flucht war und im thüringischen Asyl an Luise Millerin und Don Carlos arbeitete.

Auch Jette Steckel wird zwei Stücke inszenieren: Nach dem großen Erfolg mit Das achte Leben (Für Brilka) bringt sie auch die dramatische Version von Die Katze und der General, dem aktuellen Roman der georgisch-deutschen Schriftstellerin Nino Haratischwili, als Uraufführung heraus. Mit Hamlet wird Steckel außerdem ihren dritten Shakespeare am Thalia inszenieren.

Navid Kermani ist dem Thalia Theater vor allem durch seine Lesungen unter dem Titel Herzzentrum verbunden. Der Islamwissenschaftler und Autor ist auch ein großer Fan des kanadischen Rockmusikers Neil Young, über den er eine kenntnisreiche Biografie geschrieben hat. Die Nacht der von Neil Young Getöteten heißt ein musikalischer Trip, den Regisseur Sebastian Nübling im Sinne Kermanis inszenieren wird. Auch ein weiteres Herzzentrum ist geplant.

Thalia Theater
Marie Rosa Tietjen
Foto: Armin Smailovic

Zum ersten Mal am Thalia Theater wird Yael Ronen inszenieren, die mit ihren Arbeiten am Berliner Gorki-Theater bekannt geworden ist. Inspiriert von Yuval Noah Hararis Eine kurze Geschichte der Menschheit stellt sie in (R)Evolution die Frage, unter welchen Bedingungen die Geschichte der Menschheit vielleicht ganz anders verlaufen wäre. Außerdem wird Jan Bosse am Alstertor Network nach dem 70er-Jahre-Film von Paddy Chayevsky vom Kino auf die Bühne bringen. Und auch Leander Haussmann, der am Thalia gerade Amphitryon probt, wird im Mai 2020 inszenieren, das Stück steht noch nicht fest.

Einige personelle Veränderungen im Ensemble konnte Joachim Lux auch vermelden. Alicia Aumüller und Sebastian Rudolph verlassen das Haus und gehen nach Zürich. Nach Hamburg zurück, kehrt Christiane von Poelnitz, die Anfang der Nullerjahre am Deutschen Schauspielhaus und zwischen 2004 und 2019 an der Wiener Burg engagiert war. Außerdem kommen Marie Rosa Tietjen, 2013 vom Fachblatt „Theater heute“ zur Nachwuchsschauspielerin des Jahres gewählt, und Rosa Thormeyer ans Thalia Theater. Ihre Mutter Oda ist seit einigen Jahren Teil des Ensembles.