Junge Bühne²
Der neu entstehende Theatercampus am Wiesendamm wird die Heimat von gleich zwei Nachwuchsbühnen: Das Junge SchauSpielHaus und die Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HfMT) finden hier ihr neues Zuhause
von Heinrich Oehmsen
„Die Zeit des Vagabundierens ist vorbei.“ Sabina Dhein, Direktorin der Theaterakademie Hamburg, muss zwar jeden Tag noch durch eine Baustelle zu ihrem Büro im Wiesendamm laufen, doch die Odyssee ihrer Studiengänge hat ein Ende und soll im Oktober mit einer großen Eröffnung gefeiert werden. Dann wird das neue Theaterzentrum aus Jungem SchauSpielHaus, Theaterakademie und der genossenschaftlichen Theaterkooperation „Wiese e.V.“ endgültig fertig gestellt sein. „Nach acht Jahren sind dann alle fünf Studiengänge unter einem Dach und wir sind als Player in der Theaterlandschaft Hamburgs zurück“, so Dhein. Vor neun Jahren schon musste die Theaterakademie aus den Zeisehallen ausziehen, wo sie ihr Domizil hatte. Seitdem gab es nur Interimslösungen, bei denen die Studierenden zwischen Kampnagel, Sprechwerk, Marzipanfabrik, dem Forum der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) oder anderen Studiobühnen getingelt sind – was viel Geld, Zeit und Energie gekostet hat. „Acht Jahre lang eine Theater-Ausbildung ohne eigene Bühne zu machen, ist schon eine große Leistung aller Beteiligten“, sagt Sabina Dhein.
Im Jahr 2004 wurden die von Götz Friedrich und Jürgen Flimm an der Universität Hamburg gegründeten Studiengänge "Regie Musiktheater" und "Regie Schauspiel" der HfMT angegliedert. Alle theaterrelevanten Studiengänge Regie, Operngesang, Schauspiel und Dramaturgie wurden unter dem Dach der Hochschule zur Theaterakademie Hamburg zusammengefasst. „Für uns ist das jetzt ein historischer Moment und bietet uns in Zukunft große interdisziplinäre Möglichkeiten. Wir können ganz andere Studienbedingungen anbieten“, so Dhein, die auch Vizepräsidentin der HfMT ist. Zu ihren fünf Studiengängen wird zukünftig auch das Institut für Kultur- und Medienmanagement (KMM) unter der Leitung von Prof. Zierold hinzukommen und ebenfalls am Wiesendamm ein neues Zuhause finden. Weitere Kooperationen gibt es mit der Hochschule für Bildende Künste (HfBK), wo Bühnenbildner*innen studieren können, mit den Kostümstudierenden der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und weiterhin mit den Staats- und Privattheatern der Stadt. 100 Studierende sind derzeit an der Theaterakademie eingeschrieben.
In den Seminar- und Überäumen proben Studierende im laufenden Semester in kleinen Gruppen und entwickeln Szenarien für ihre Studienprojekte, doch wegen der Corona-Pandemie konnte sich der Studienbetrieb auf dem neuen Campus noch nicht wirklich entwickeln. Theorieveranstaltungen finden nur online statt, in den Proberäumen dürfen sich maximal fünf Studierende aufhalten. „Wir sind sehr vorsichtig, doch wir versuchen Präsenz zu ermöglichen“, so Dhein. Die Abschlussinszenierungen liefen wie gewohnt auf Kampnagel, doch ohne Publikum. Nur etwa 20 Prüfer*innen konnten zusehen, die Aufführungen wurden gestreamt. Für die Regieteams seien die Auswirkungen der Pandemie erschütternd gewesen. „Diese Streams haben zwar ihre Qualität, weil man sie überall auf der Welt sehen kann, doch die Energie zwischen Bühne und Zuschauer*innenraum fehlt natürlich, wenn keine Zuschauer*innen da sind“, beklagt auch die Akademie-Direktorin.
Der Anspruch, den die Theaterakademie an ihre Studierenden stellt, ist hoch. „Wie nehmen junge Menschen auf, die neugierig sind, die über Leidenschaft, Phantasie und einen eigenen Blick verfügen. Unser Wunsch ist es, ihnen den Raum zu geben, um sich zu einer eigenständigen künstlerischen Persönlichkeit zu entwickeln. Sie sollen handwerkliche Skills und Diskursfähigkeit lernen, kommunikativ und kollektiv zusammenarbeiten und Verantwortung übernehmen. Dann können sie anschließend hinaus in die Theaterwelt gehen und sich dort ihren Platz nehmen – ob im Stadttheater oder in der freien Szene“, fasst Sabina Dhein das Credo der Hamburger Theaterakademie zusammen. „Das Theater ringt gerade um neue Strukturen. Es wäre toll, wenn unsere Absolvent*innen hier mit einem neuen Verständnis hinausgehen und zum Umbau der Theater beitragen könnten.“
Sabina Dhein weiß, wovon sie spricht, denn sie hat in ihrem Berufsleben in allen Bereichen des Theaters gewirkt, oft in verantwortlicher Position, und kennt die oftmals starren Strukturen des alltäglichen Betriebs. Nach ihrem Studium der Theaterwissenschaften, Neuerer deutscher Literatur und Philosophie hat sie unter anderem als Dramaturgin am Düsseldorfer Schauspielhaus gearbeitet, war sieben Jahre lang Intendantin am Theater Erlangen und anschließend Künstlerische Betriebsdirektorin am Thalia Theater. Seit 2012 leitet sie die Theaterakademie Hamburg. Für die nächsten Jahre unter den neuen räumlichen Bedingungen unter anderem mit zwei Bühnen, will sie die Zusammenarbeit mit dem KMM, der HfBK und HAW ausbauen und die Studiengänge weiterentwickeln. Auch ein Projekt mit der Uni Hamburg steht an. Dort soll die Lehramtsausbildung Theater mit Hilfe der Theaterakademie vorangetrieben werden. „Lehrer und Lehrerinnen, die Theater an Schulen unterrichten, müssen sich mit Regie, Dramaturgie, Beleuchtung und Bühnenbild auskennen. Dazu benötigt man eine Menge Knowhow. Das ist eine weitere Schiene, die wir weiter entwickeln wollen.“