Am 17. November 2025 wurde im Centralkomitee Hamburg der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares 2025 verliehen. In feierlicher Atmosphäre würdigte der Hamburger Theater e.V. herausragende künstlerische Leistungen der Spielzeit 2024/25.
Die neunköpfige Jury zeichnete insgesamt neun Preisträger:innen in verschiedenen Kategorien aus – von Schauspiel und Regie über Ausstattung bis hin zu besonderen Leistungen für das Hamburger Theaterleben. Durch den Abend führte Michel Abdollahi, Gastgeber und Betreiber des Centralkomitee, der mit Witz, Haltung und Charme durch das Programm leitete.
Musikalisch begleitet wurde die Preisverleihung von Miss Allie, die mit ihrer warmen Stimme und pointierten Texten für besondere Momente sorgte.
Im Anschluss an die Verleihung feierten Preisträger:innen, Jury, Gäste und Theaterschaffende bei Musik, Getränken und Gesprächen gemeinsam im Foyer des Centralkomitees – ein Abend voller Begegnungen, Wertschätzung und Theaterleidenschaft.
Zwölf Preisträger*innen in vier Kategorien wurden bei der Preisverleihung am 17. November 2025 im Centralkomitee für herausragende künstlerische Leistungen in der Spielzeit 2024/2025 ausgezeichnet.
Preisträger*innen 2025
Luc Feit
Kategorie
Herausragende Darstellung
Stück
für „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ – Ernst Deutsch Theater
Die Begründung der Jury lautet
„Widerlich und faszinierend, schockierend und läuternd“, so lautete die Kritik nach der deutschsprachigen Erstaufführung von Edward Albees Kammerspiel Wer hat Angst vor Virginia Woolf? 1964. Es ist bis heute das böseste, garstigste und aufrichtigste Ehedrama geblieben. Der Zuschauer ist zwar froh, dem Gemetzel des Paars und seiner Gäste am Ende einer Mitternachtsparty heil entkommen zu sein. Dennoch entfaltet dieses Nachtstück einen narkotischen Sog, dem er sich nicht entziehen kann. Das gelingt allerdings nur, wenn ein hochkarätiges Quartett zur Verfügung steht, von der Regie zu Höchstleistungen animiert. Die Rolle des Dozenten George ist dabei äußerst anspruchsvoll, weil dieser auf die heftigen Attacken seiner Martha, der dominanten Rektorentochter, nicht nur als Opfer und vermeintlicher Versager reagieren, sondern selbst ins Spiel kommen soll. Wie Luc Feit seinen George die Verbalinjurien und Demütigungen unterlaufen und dessen intellektuellen Waffen wie Schlagfertigkeit, Witz und Sarkasmus dagegensetzen lässt, das ist grandios. Genauso wie er ihn in Momenten als sprachlos, verletzbar und verloren zeigt. Chapeau!
Georg Nigl
Kategorie
Herausragende Darstellung
Stück
für „Die Kreide im Mund des Wolfes“ – Opera Stabile
Die Begründung der Jury lautet
Wie er würgt am Begriff Zivilisation, das Wort zerbeisst, zersägt, zersingt, der Bariton Georg Nigl, das ist ganz große Oper:“Die Kreide im Mund des Wolfes“ heißt das „szenische Projekt nach Originalzitaten eines Präsidenten“, das Dieter Sperl und Gordon Kampe im Auftrag der Staatsoper erarbeiteten. Ein Einpersonenstück, die Rolle heißt nur Bariton. Und was Georg Nidl an der opera stabile aus dieser Rolle macht, ist so beklemmend wie atemberaubend und unterhaltsam zugleich. Das Libretto ist eine Collage aus Putinzitaten, die Georg Nigl mit allen Mitteln seiner Stimme zur Kenntlichkeit entstellt. Als Putzmann kommt er auf die Bühne um den berühmten, sechs Meter langen Putintisch mit Akribie zu reinigen, daraus entwickelt sich der frappierende Vortrag in aller musikalischen Ironie. Charly Chaplins berühmte Rede aus dem „Großen Diktator“ bekommt durch die Spiellust und die stupende Variationsfähigkeit von Georg Nigl ihr zeitgemäßes Äquivalent – ein kleines aber wichtiges Werk zur Gegenwart, durch seinen Interpreten Georg Nigl wird es zum Ereignis.
Sandra Gerling
Kategorie
Herausragende Darstellung
Stück
für „Die Maschine oder Über allen Gipfeln ist Ruh“ – Deutsches Schauspielhaus
Die Begründung der Jury lautet
Mit Strenge und Sprachtechnik hält sie die Maschine am Laufen, orchestriert als Kontrollinstanz gleich vier Mitarbeiter des Textcomputers, die neben beziehungsweise unter ihr die Gerätschaften bedienen und Goethes Gedicht „Wandrers Nachtlied“ in immer neuen Anläufen auseinanderfräsen und zusammenfügen. Dabei ist Sandra Gerling in „Die Maschine oder: Über allen Gipfeln ist Ruh“, Regie Anita Vulesica nach dem Hörspiel von Georges Perec, im Deutschen Schauspielhaus auf der Suche nach dem Wesen der Poesie und erweckt diese höchst kunstfertig zum Leben. Obwohl sich der Kommandoton wiederholt und die Ausführenden einer Mechanik unterliegen, entsteht eine feine Komik. Der menschliche Faktor an dieser Maschine ist auf der Bühne auf jeden Fall deutlich lustiger als jede vermeintliche Perfektion und das liegt vor allem an der Schauspielerin Sandra Gerling, die hier mit herausragender Präzision und feiner Ironie agiert.
Luminita Andrej
Kategorie
Herausragende Darstellung
Stück
für „Maria Stuart“ – Allee Theater / Hamburger Kammeroper
Die Begründung der Jury lautet
„Im Singen spiegelt sich die Seele“ so hat es Luminita Andrei einmal selbst beschrieben und schöner kann man den Ausdruck des Gesangs von Luminita Andrei auch nicht beschreiben. Sie hat die Fähigkeit mit ihrem berührenden und zugleich wunderbar klaren Koloratursopran und ihrer sensiblen Darstellung das Publikum zu verzaubern und dies ist Ihr neben der Violetta in Verdis „La Traviata“ ganz besonders auch in „Maria Stuart“ von Gaetano Donizetti gelungen. In der fesselnden Inszenierung von Roman Hovenbitzer lässt Luminita Andrei die starke und stolze Königin alle Gemütszustände glaubhaft durchleben und von pianissimo bis forte gelingt ihr stimmlich ein atemberaubender Ritt durch die Gefühle. Man versteht vielleicht die Gewissensnöte der Königin Elisabeth, aber wir leiden mit der schönen und selbstbewussten schottischen Königin bis zum Schluss. Einfach Umwerfend!
Jette Steckel
Kategorie
Herausragende Regie / Inszenierung
Stück
für „Asche“ – Thalia in der Gaußstraße
Die Begründung der Jury lautet
Ein Zirkusabend? Schauspielertheater? Musikalische Glücksmomente? Jette Steckels Inszenierung ist irgendwie alles. Der Abend oszilliert. Das Ensemble läuft auf der kunstbegrasten Drehbühne in der Gaußstraße gegen eine Welt an, in der „die Erde an den Rändern total ausgetreten“ ist. Es revoltiert, meckert, zetert, trauert gegen die Endlichkeit. In Jelineks düsterer Textfläche schlägt die Sprache Kapriolen, Wendungen und Haken. Wie Franziska Hartmann, Björn Meyer, Barbara Nüsse und Jirka Zett diese Textfläche durchpflügen, sich darin verhaken und immer wieder finden, ist ganz große Schauspielkunst, aber vor allem Zeugnis einer tiefen Auseinandersetzung. Luftbilder gegen die Endzeitstimmung liefern junge Zirkusartist:innen in und an Reifen, Spiralen, einem Kreuz. Die Musik rund um Leitmotive von Gustav Mahler – kongenial arrangiert und live performt von Matthias Jakisic – tut ihr Übriges. All das mit leichter, konzeptionell starker Hand zusammengeführt von der Hausregisseurin des Thalia Theaters: Jette Steckel hat damit ihrer Zeit am Thalia Theater ein Krönchen aufgesetzt. Ein schwebender Abschied mit Wucht.
Björn Kruse
Kategorie
Herausragende Regie / Inszenierung
Stück
für „Michael Kohlhaas“ – Theater Das Zimmer
Die Begründung der Jury lautet
Michael Kohlhaas – Kleist, Klassiker, Klassenarbeit sind die ersten Assoziationen. Im
Theater Das Zimmer führt der Kleistsche Klassiker zu einem ganz anderen Erlebnis, zu
einem beindruckenden Schauspiel. Ein Beamter, ganz penibler Staatsdiener, arbeitet
gewissenhaft hinter seinem Schreibtisch, wunderbar verkörpert von Ulrich Bähnck. Ihm
gegenüber: Michael Kohlhaas, eindrucksvoll rechtschaffen und aufmüpfig gespielt von
Jascha Schütz. Es entspinnen sich immer neue Dialoge zwischen den beiden,
Staatsgewalt gegen den Mann, der auf sein Recht pocht. Aktuelle Bezüge fehlen nicht.
Beide spielen auch das übrige Personal. Diese höchst lebendige Form hat Regisseur
Björn Kruse gefunden, um die berühmte Novelle zu präsentieren. Im Hintergrund auf einer Pinnwand erläutern Fotos und Pfeile die Beziehungen der vielen Personen untereinander. So wird ein Klassiker klar und unterhält im besten Sinne des Wortes.
Stephan Fernau
Kategorie
Herausragende Ausstattung
Stück
für „Macbeth“ – Hamburger Kammerspiele
Die Begründung der Jury lautet
Ein Labyrinth aus Treppen, Leuchtstreifen, Podesten. Wie einen Gang ins Unterbewusstsein, vielleicht in Shakespeares Kopf hat Stephan Fernau den Bühnenaufbau gestaltet. Darin führt ein Darstellerduo als schottisches Königspaar einen fein sezierten Machtkampf. Die Inszenierung „Macbeth“ von Sewan Latchinian in den Hamburger Kammerspielen wäre jedoch nicht so eindringlich, gäbe es nicht dieses besondere Bühnenbild. Das Holzkonstrukt wirkt in seiner Schwärze bedrohlich und minimalistisch zugleich. Immer wieder entstehen enge, manchmal nur angedeutete Räume für die Monologe von Macbeth und Lady Macbeth, vom Thronsaal bis zum Schlafgemach. Die traumartige, klaustrophobische Wirkung des Abends wird so erst möglich. Sie findet in den ebenfalls von Stephan Fernau gestalteten Kostümen mit ihrer angedeuteten Opulenz ihre feine Entsprechung. Gekonnt verstärken sich hier Text und Bühnenbild gegenseitig zu einer kraftvollen Wirkung.
Meike Fehre
Kategorie
Herausragende Ausstattung
Stück
für „Die Carmen von St. Pauli“ – St. Pauli Theater
Die Begründung der Jury lautet
Ein „herausragendes Bühnenbild“ kann auf vielerlei Arten entstehen: durch opulente
Kulissen, minimalistische Gestaltung, durch Lichteffekte oder – wie von Meike Fehre in
diesem Fall perfekt umgesetzt – mit Projektionen. „Die Carmen von St.Pauli“ spielt im St.Pauli der 1920er Jahre und folgt der Geschichte des gleichnamigen Ufa-Stumfilms von 1927, dessen Aufnahmen vom Leben im Hafen und auf dem Kiez kunstvoll in die Inszenierung integriert sind. Unter der Regie von Peter Jordan & Leonhard Koppelmann gelang es Meike Fehre hier, durch den klugen Einsatz der historischen Filmausschnitte die Handlung glaubwürdig auf einem Schiff, in einer Kneipe, auf der Straße oder in einer Wohnküche spielen zu lassen. Ihre Arbeit ist der beste Beweis dafür, dass visuelle Gestaltung Theater nicht nur ergänzt, sondern lebendig erweitert. Die Projektionen wurden hier zu einem eigenständigen „stummen Erzähler“, der die Handlung atmosphärisch und emotional bereicherte.
Daniel Schütter / Murat Yeginer / Matthias Schulze-Kraft / Mischa Zaikanov
Kategorie
Sonderpreis
Stück
für „Odyssee oder das Kalypsotief „- „Oddos See – eine irre Fahrt“ – „Odyssee / Die Ankunft“
Daniel Schütter (Ernst Deutsch Theater)
Murat Yeginer (Ohnsorg-Theater)
Matthias Schulze-Kraft (Lichthof Theater)
Mischa Zaikanov (Bühnenbildner für alle drei Produktionen)
Die Begründung der Jury lautet
Drei Theater, ein Stoff aufgeteilt in Kriegsende, Reise und Ankunft und von allen drei Theatern bearbeitet, geknetet, zerrupft, neu interpretiert und gleichzeitig bleibt die Handschrift aller drei Theater unverkennbar. Und viele Zuschauer haben sich auf diese lohnende Reise eingelassen und die unterschiedlichen Blickwinkel erlebt.
Politisch hinterfragt das Ernst Deutsch Theater das männliche Heldentum und das Leid der Frauen, traut sich aber auch, aktuelle Themen nicht auszusparen. Neben allem vordergründigen Spaß ist auch das Ohnsorg Theater mit seinen Göttern, die die Welt und die Menschen nicht verstehen und lenken können und wollen mit Missverständnissen und Geschlechterrollen im hier und jetzt. Und im Lichthof wird das ganze Grauen der Flucht und Ankunft, die nach so langer Zeit nur Fremdheit bedeuten kann, tänzerisch beeindruckend dargestellt. In allen drei Teilen spielt die Musik eine wichtige Rolle, während es im Ernst Deutsch Theater eher rockt, im Ohnsorg Theater die Shantys für Dramatik und Stimmung sorgen, ist es im Lichthof eine wummernde Kraft, an Hexameter erinnernd, die die Handlung vorantreibt.
Drei großartige Abende die zugleich ein Zeichen der Verbundenheit der Theater in Hamburg sind – mehr geht nicht!












