HEINRICH OEHMSEN

Mona Kraushaar über Don Carlos im Ernst Deutsch Theater

Wir haben Mona Kraushaar getroffen und mit ihr über die Proben und die bevorstehende Premiere von Schillers Don Carlos am Ernst Deutsch Theater gesprochen.

von Heinrich Oehmsen 

Friedrich Schillers dramatisches Gedicht Don Carlos ist ein Monstrum. Der Textumfang mit seinen vielen Verästelungen und das Personal des Dramas sind ausufernd und in vollständiger Länge kaum noch spielbar. Als Mona Kraushaar mit dem Ernst Deutsch Theater eine Inszenierung des Sturm-und-Drang-Dramas vereinbart hatte, war ihr klar, dass sie erst einmal mit dem Rotstift über Schillers Text gehen musste.

„Ich hatte eine Fassung erstellt, die etwa 50 Prozent des ursprünglichen Textes umfasste. Die ersten beiden Leseproben dauerten vier Stunden. Beim Spielen verdoppelt sich die Zeit noch einmal. Also musste ich weiter kürzen und kürzen“, erzählt die Regisseurin. Eine gute Woche vor der Premiere am 17. März ist dieser schwierige Akt endlich vollbracht. „Wir sind jetzt bei einer Netto-Spielzeit von zwei Stunden und 45 Minuten“, sagt sie. Immer noch viel für ein Privattheater wie das Ernst Deutsch Theater, aber der Stoff lässt für sie weitere Kürzungen nicht zu. „Ich hätte zwar ganze Erzählstränge streichen können, aber dann wäre die Komplexität des Stückes zerstört worden – und das wollte ich auf keinen Fall“, so Kraushaar.

Don Carlos am Ernst Deutsch Theater © Oliver Fantitsch 

Die inzwischen am Starnberger See lebende Regisseurin hat sich am Ernst Deutsch Theater in den vergangenen Jahren einen Namen mit ihren spannenden Klassiker-Inszenierungen gemacht, in denen sie vordergründige Aktualisierungen verzichtet und sich dafür sehr genau den Texten widmet und diese interpretiert. 2014 wurde sie für ihre Inszenierung von Shakespeares Was ihr wollt mit dem Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares ausgezeichnet, 2018 erhielt Jele Brückner die Auszeichnung für ihre Rolle als Königin Elizabeth in Kraushaars gefeierter Umsetzung von Schillers Maria Stuart. Auch Kleists Amphytrion, Lessings Minna von Barnhelm, Shakespeares Sturm und Büchner Leonce und Lena hat Kraushaar im Theater an der Mundsburg auf die Bühne gebracht. „Klassiker besitzen oft mehr Tiefe als neue Zeitstücke, weil sie Ur-Themen behandeln. Im Don Carlos ist unter anderem der Missbrauch der Macht ein Kernthema“, sagt Kraushaar.

Während der Proben war dem Ensemble der Krieg in der Ukraine sehr präsent und Schauspieler*innen und Team haben viel darüber diskutiert. Doch eine Aktualisierung zum Beispiel durch zusätzliche Texte oder Videoaufnahmen hat die Regisseurin nicht vorgenommen: „In Schillers Text ist das alles drin. Man kommt überhaupt nicht drum herum, eine Beziehung zwischen dem Stück und der Aktualität herzustellen, wenn Posa zum Beispiel über die Flucht der Menschen aus Flandern spricht und wenn dem Despoten Philipp die Unterdrückung anderer Länder vorgeworfen wird. Da müssen wir auf der Bühne nicht noch mit dem Holzhammer vorführen, was in der Realität geschieht.“

Für Mona Kraushaar und ihr Team, zu dem seit Jahren die Bühnenbildnerin Katrin Kersten und die Kostümbildnerin Nini von Selzam gehören, stellten sich für diese Produktion eine Reihe von Herausforderungen. Üblich ist etwa, dass die Bauprobe für die Bühne zwei bis drei Monate vor Probenbeginn stattfindet, bei dieser Produktion war es erst in der ersten Probenwoche möglich. „Katrin hatte einen dreieckigen Bühnenraum mit hohen Wänden und vielen Türen konzipiert, hinter denen die Figuren sich in diesem Intrigenspiel belauern. Auf der Probebühne mussten wir anfangs ohne diese Wände spielen und stellten fest, dass wir die Wände überhaupt nicht brauchen. Im Gegenteil. Die Wirkung ist viel stärker, wenn man sieht, dass die Figuren die Handlung von außen verfolgen, und sozusagen auf einer Metaebene bergleiten können. Und so hat sich im laufenden Probenprozess unser Spiel- und Erzählprinzip entwickelt“, beschreibt Kraushaar die Umgestaltung der Bühne.

Auch bei der Besetzung ihrer zentralen Figuren hat Kraushaar einen mutigen Weg beschritten. Ein Jahr lang hat sie Schauspieler*innen gecastet, um sich dann für eine sehr junge Besetzung zu entscheiden. Sebastian Egger und Enzo Brumm als Don Carlos und Posa studieren im letzten Jahr am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und auch Anne Rohde als Königin Elisabeth ist noch eine sehr junge Schauspielerin. „Diese drei sind der Motor der Inszenierung. Bei Carlos hat mich die Schrägheit der Figur und sein unbedingter Kampf für die Liebe begeistert; Posa ist auf der politischen Ebene unterwegs, aber das auch voller Impulsivität und Feuer für Menschlichkeit, Freiheit und Gerechtigkeit. Es macht einen Unterschied, ob das von einem Dreißig- oder einem Zwanzigjährigen gespielt wird. Greta Thunberg würde auch nicht auf diese Weise bewegen, wenn sie 38 wäre.“

Don Carlos am Ernst Deutsch Theater
Premiere: 17. März 2022, 19:30 Uhr
weitere Vorstellungen bis zum 16. April 2022
www.ernst-deutsch-theater.de

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